M. Johannis Plavius - Lehr=Sonnette

59. Frewe dich nicht eines andern vnglücks:

Des nähsten vngelücks hast du dich nicht zu frewen
Er sey freünd oder feind (Gott schicket es also)
Gleich wie man täglich sieht / dz solch ein schaden froh’
Ob er gleich immer wil / doch nimmer kan gedewen.
Was frewest du dich doch / daß dich doch muss gerewen
Dein liebe=kaltes hertz ist gleich wie dürres stroh /
Welchs auch die loh verzeert / wer weis / wenn / wie vnd wo /
Dir Gott dein vngelück’ im zorn noch ab wird meyen
Das glücke / welches nicht dem glück’ ist zu zuschreiben /
Welchs nur der glaub’ erlangt / das rechte seelen heil /
Wird keinem schaden fro / nach dieser zeit zutheil.
Wer derowegen sich des Herren geist läst treiben
Und folgt dem Herren nach / ja wer im glauben steht /
Der frewt sich dessen nicht / wenn ’s andern übel geht.

60. Rede den leuten nicht übel nach.

Wer seines näh’sten glimpff vnd ehren abzuschneiden
Bereits vnd fertig ist / dem sey für dismal kund /
Daß jhn das fromme lamm / als einen bösen hund /
Nach dieser sterblichkeit im himmel nicht wird weiden.
Der alle lästerung auf erden konte leiden /
Der leidt im himmel nicht einn schänd’= vnnd lästermund
Wer lästern wil / gehört hin in der höllen schlund.
Das heisst / wer lästern wil / der sol den himmel meiden.
Ein solcher ehrendieb ist mehr / als henckens werth /
Sein reden ist betrug / die zung’ ein scharffes schwerth:
Sein lügen=rachen ist des teufels mörder=grube.
Wer nu den näh’sten schmäht vnd läst davon nicht ab /
Der bringet der mal eins einn höllebrand ins grab /
Erlebet als ein dieb / vnd stirbet als ein bube.

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