M. Johannis Plavius - Lehr=Sonnette

69. Kleide die nackenden.

Wie kanst du dich so vberflüßig kleiden
Vnd treiben pracht / du fauler erdenklooß?
Da vnterdes der arme nackt vnnd bloß /
Als wie ein wurm / muss frost vnd kälte leiden.
Wie bist du doch so schrecklich vnbescheiden?
Wie denckst du nicht an den genaden schooß /
Den Lazarus (nach dem er frey vnnd looß
Den leib quittiert) besitzt mit trost vnd frewden:
Was schadt es jhm hie nackt gewesen seyn?
Was hilffet dort den reichen in der pein
Sein purpurkleid sein prangen pracht vnd pralen?
Drumb kleidst du dich / so kleide Christum auch /
Bist du ein Christ. Das ist der Christen brauch.
Er wird es dir mit gnad’ vnd danck bezahlen.

70. Speise die hungrigen.

Jst denn dein wildes hertz’ auß hartem stahl vnd eisen /
Daß du den hungrigen / der dich in seiner noth
Mit krancker stimm’ ersucht / nur vmb einn bissen brodt
Mit vngestümme dich nicht schämest abzuweisen.
Da doch der fromme Gott dich mildiglich zu speisen
Nit vnterlassen hat. Wer nun in hungers noth /
Den näh’sten nicht verlässt / den wird / nach dem der tod
Jhn hingerissen hat / das lebens=brod selbst preisen.
Wer nu das himmel=brod / im himmel zugeniessen
Auf erden sich befleisst / vnd lässet sich verdriessen
Daß brodt der sterblichkeit zu brechen / wem er sol /
Der hat gar weit gefehlt. Jhm sol der Herre speisen
Vnd geben himmelbrodt / vnd er wil nicht beweisen
Durch irrdisch brodt / was Gott befielet recht vnd wol.

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