Einleitung

Einleitung

Der Danziger Lyriker Johannes Plavius fristet im Gesamtfeld der deutschen Literatur heute ein Schattendasein. Nur in wenigen Autorenlexika wird er aufgeführt, selten tritt er in Anthologien als Beispiel für frühe Deutsche Lyrik hervor. Die letzte Gesamtedition seines deutschsprachigen Werkes erfolgte 1939 durch Heinz Kindermann im Rahmen seiner "Deutschen Literatur in Entwicklungsreihen"; 1970 erfolgte ein Neudruck dieser Reihe.

Mit der Einordnung des Dichters Plavius tat sich die Literaturwissenschaft von Anfang an schwer. Sein eigenwilliger Stil bereitete schon den Kritikern im Gefolge von Opitz Kopfschmerzen. Dies führte dann spätestens am Ende des 17. Jahrhunderts zu vernichtenden Urteilen der Literaturkritik.

Erst spät, Ende des 19. Jahrhunderts, wurde Plavius rehabilitiert. Besonders Carl Lembke und Victor Manheimer gaben dem Dichter seine Lorbeeren zurück. Man versuchte auch, Verbindungen von Plavius zu Gryphius oder gar dem Nürnberger Kreis zu ziehen.

Heinz Kindermann ging 1939 noch einen Schritt weiter. Er war auf der Suche nach einem deutschnationalen Dichter Danzigs. In der Person des Johannes Plavius glaubte er ihn gefunden zu haben. Kindermann kommt immerhin das Verdienst zu, mit seiner Edition das Werk des Plavius erstmals wieder einem größerem Fachpublikum zugänglich gemacht zu haben. Literaturwissenschaftlich allerdings brachte Kindermann nichts Neues zutage. Mit seinem Versuch, Plavius zum Mittelpunkt eines eigenen Dichterkreises zu erheben, ging er wohl zu weit. Bei seiner wissenschaftlichen Beschäftigung konnte sich Kindermann ausser auf Manheimers Arbeiten noch auf zwei Arbeiten der Zwischenkriegszeit stützen:

Die eine behandelt den "Danziger Dichterkreis des 17. Jhdts" und stammt von Walter Raschke1. Sie ist bis heute eine wichtige Quelle für die Beschäftigung mit Danziger Dichtung des 17. Jahrhunderts, und wird dementsprechend auch sehr häufig zitiert. Dennoch ist gerade Raschke mit Vorsicht zu genießen, da er bisweilen spekulativ vorgeht.

Bei der zweiten Arbeit handelt es sich um die Dissertation von Lambert Peter Sartor aus dem Jahr 19202. Sie ist die bislang ausführlichste und materialreichste Arbeit zum Thema "M. Johannes Plavius"3.

Die neuere Forschung beschäftigte sich mit Plavius eher marginal. Zwei Arbeiten sind besonders zu erwähnen: Ulrich Bornemann exemplifiziert an Plavius die Rezeptionstätigkeit frühbarocker Dichter4. Sein Hauptaugenmerk liegt dabei auf niederländischen Quellen. Plavius dient ihm als Beispiel. Dick Van Stekelenburg widmet Plavius sein Augenmerk im Rahmen seiner Arbeit über Michael Albinus5. Ihm kommt das Verdienst zu, als erster nach Sartor eine literaturwissenschaftliche Zusammenschau zu Plavius zu liefern.

Ziel dieser Arbeit wird es sein, mit Rücksicht auf gerade die neuere Literatur einen Überblick über literarische Einflüsse auf und von Plavius zu geben und in einer kurzen Betrachtung seines Gesamtwerkes zu untersuchen, wo genau die Eigenleistung des Plavius zu finden ist, wo er auf Vorlagen zurück greift, oder zumindest greifen kann, und auch, wo und wie sich Plavius von seinen Zeitgenossen unterscheidet. Eine besondere Rolle kommt dabei natürlich dem Verhältnis Plavius-Opitz zu, das in der Literaturwissenschaft immer wieder kontrovers behandelt wurde.

Die Lyrik des Johannes Plavius kann hier selbstverständlich nicht erschöpfend abgehandelt werden. Ein solcher Versuch würde nicht nur am Umfang, sondern allein schon daran scheitern, dass noch große Lücken in der Grundlagenforschung klaffen, die zunächst gefüllt werden müssen. Es fehlt noch immer ein repräsentativer Überblick über die ganze Danziger Literatur des 17. Jahrhunderts6. Gewichtiger ist aber, dass gerade ein Autor wie Plavius Einblicke in die kulturkommunikativen Verflechtungen seiner Zeit voraussetzt. Auch hier muss noch recherchiert werden. Was an Nachforschungen bereits geleistet wurde, ist jedoch in diese Arbeit eingeflossen. Biographisches zu Plavius >>


1Raschke, Walter, Der Danziger Dichterkreis des 17. Jahrhunderts, Diss., Rostock 1921.

2Sartor, Lambert Peter, Johannes Plavius, und seine Danziger Gedichtausgabe von 1630, Diss., Königsberg 1920.

3Alle neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Kindermann über Plavius an den Tag legt, finden sich schon bei Sartor, obwohl Kindermann ihn mit keinem Wort erwähnt.

4Bornemann, Ulrich, Anlehnung und Abgrenzung, Untersuchungen zur Rezeption der niederländischen Literatur in der deutschen Dichtungsreform des siebzehnten Jahrhunderts, Assen; Amsterdam 1976.

5Stekelenburg, Dick van, Michael Albinus 'Dantiscanus' (1610-1653), eine Fallstudie zum Danziger Literaturbarock, Amsterdam 1988 (Amsterdamer Publikationen zur Sprache und Literatur, Band 74).

6Die gut lesbaren Aufsätze von Mannack und Rankl bieten letztlich auch nicht viel mehr als das, was Raschke bereits ausgeführt hat.