M. Johannis Plavius - Lehr=Sonnette

49. Deut’ alles zum besten.

Ach lieber mensch / wer ist / dem nicht zu zeiten
Ein böses wort ohn seinen danck entfährt?
Wer hört so wol / daß er sich nicht verhört?
Wer strauchelt nicht? wem kan der fuß nicht gleiten?
Es redt sich viel. Man muss nicht alles streiten.
Der hat verstand / vnd der ist wolgelehrt /
Der alle ding’ auf ’s beste lenckt vnd kehrt.
Man sol nicht bald’ ein ding so übel deuten.
Wer in der welt vnd unter frembden leuten
Fort kommen wil / der mag sich vorbereiten /
Damit jhn nicht ein jedes wort beschweert.
Er trifft es nicht. Drümb irren die bey weiten /
Die umb ein wort bald für den richter schreiten.
Ein sanfter geist wird nicht so bald verseert.

50. Halt maasse.

Maass’ ist der tugend ziel / wer das wil vberschreiten /
Der thut nicht / was er sol / er ist der tugend feind /
Er sol nicht / was er thut / vnd ist der laster freund /
Zu wenig vnd zuviel steht tugend an der seiten.
Wer nu der laster heer wil ritterlich bestreiten
Der thu nicht alle das / was recht zu seyn nur scheint /
Er halte mittelmaass’ vnd wer zu stehn vermeint /
Dem sey die maass’ ein stab / so wird er nimmer gleiten.
Maass’ ist der tugend seel’ / vnd auch der tugend mutter /
Maass’ ist die tugend selbst / maass’ ist der tugend futter /
Maass’ irret nimmermehr sie thut auch was sie thut.
Darumb wer maasse liebt / der liebet auch die tugend /
Maass’ ist der alten sporn / maass’ ist der zaum der jugend /
Maass’ ist der ehren steig’ / maass’ ist zu allem gut.

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