M. Johannis Plavius - Lehr=Sonnette

65. Lobe dich selber nicht:

Ein weiser sieht auf lob / bey lobwürdigen leuten /
Ein narr auf jederman / vnd lobt jhn niemand nicht /
So lobet er sich selbst / vnd hat’s wol ausgerichtt /
Er macht mit falschem ruhm jhm frembdes lob zur beuten
Er darf wol / gleübt man ’s nicht / mit macht da wider streiten /
Er meint ein jederman sey jhm als wie verpflichtt /
Zu sagen / was er wil / vnd nicht; was jhm gebricht.
Das eigne lob ist nichts / man wird es übel deuten.
Lob ist der liebe leib / lob ist der thorheit laub /
Lob ist des geistes geist / lob ist tugend raub /
Lieb’ ist des lobes leib / der tugend lob bleibt oben
Vnd was von tugend kömmt. Drumb wer die tugend liebt /
Dem bleibet wol sein lob / ob er’s jhm schon nicht gibt.
Wer löblich leben liebt / den übt ein lieblich loben.

66. Tadele nicht alles.

Du tadelst alle ding’ vnd suchst dich zubeweisen /
Mit deiner klügeley: dir ist nichts gut genug /
Vnd wär’ es noch so gut / vnd wer ist wol so klug /
Der deinen grossen witz nicht billich müsse preisen?
Denn was das rohte gold ist gegen rostig eisen /
Das ist dein weises hirn für anderen mit fug.
Du trifst die sache wol / du weisest den betrug /
Dein junger frülings=bart ist weiser als die greisen.
Dir gelten alle nichts / jhr witz kan nicht bestehn /
Sie möchten noch zu dir wol in die schule gehn /
Sie geben groß ding vor / vnd ist doch nichts zursachen.
Du soltest / woltest du / mit deiner klügeley /
Bereden männiglich / das kühmist butter sey.
Du schellen=weiser mensch! was sol man aus dir machen?

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