M. Johannis Plavius - Lehr=Sonnette

79. Mische dich nicht in frembde händel.

Du siehest wol / wie sich die mücken sengen
Wie sie mit sturm sich wagen in die noth /
Vnd wie sie doch / zu fliegen in den tod /
Bey abendzeit / sich nach dem liechte drängen.
Wer seim beruff’ vnd sachen nach wil hengen /
Daß er dadurch erlangt sein täglich brodt /
Der muss sich nicht (wie sich der mäusekoht
Jn’n pfeffer mischt) in frembde händel mengen.
Er stürtzt sich sonst in allerley gefahr.
Ein kluger nimmt das / was jhm obliegt / war
Vnd lässet das was ihm nicht ist befohlen.
Wer nicht mit fleiß in seinen grentzen bleibt /
Vnd das / was nicht sein’s amtes ist / betreibt /
Der wird / für lob / spott schad’ vnd schand’ erhohlen.

80. Sey verschwiegen.

Man lobt beredsamkeit / man rühmet schöne worte /
Vnd warumb lobet man nicht auch die schweige=konst?
Da doch beredsamkeit ist ohne sie umbsonst /
Verschwiegenheit erhält der freundschaft beste sorte.
Der jugend schöne zier / der tugend ehrenpforte /
Jst die verschwiegenheit / sie bringet ruhm vnd gonst?
Wer nicht wol schweigen kan / dem ist wol reden donst.
Man achtet seiner nicht / er bleibt an keinem orte.
Ein wäschhaftiges maul richtt manges vnglück’ an /
Vnd bringt sich selbst in noth / ein mund der schweigen kan
Jst vieles lobens werth vnd keine schlechte gabe.
Darumb gewehne dich zu schweigen wenn du solt /
Zu reden wenn du must / so bleibt dir jeder holdt.
Wol schweigen ist fürwar nicht eine schlechte habe.

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