M. Johannis Plavius - Lehr=Sonnette

89. Diene dem näh’sten wo du kanst.

Wir seind nicht vns allein’ auf diese welt gebohren /
Drumb müssen wird auch nicht auf vnsern nutz nur sehn /
Sol vns nicht der verlust / der ewig ist / bestehn.
Gott hat vns hie zum dienst des nähesten erkoren.
Doch geht des Herren dienst dem allen weit zuvoren
Was dienst genennet wird. Wir seind in Gottes lehn
Drumb sol zu seinem dienst’ all vnser thun geschehn /
Was man dem näh’sten dient ist / ohne Gott / verlohren.
Wo ware gottesforcht in deinem hertzen ist /
Vnd du dem nähesten mit fleiß zu dienste bist /
So wirst du / wie ein palm’ im haufe Gottes grünen.
Dein gottesdienst ist falsch / wo du dem näh’sten nicht
Beweisest / wie Gott wil / der trewen liebe pflicht.
Denn / wer Gott dienen wil / sol auch dem näh’sten dienen /

90. Wende dem nähesten gefahr vnnd schaden ab:

Wer Gott vnd Christum liebt / wird auch den bruder lieben
Wer den von hertzen grund / vnd wie sich selber / liebt /
Der frewet sich mit jhm / vnd ist mit jhm betrübt /
Wenn jhn des glückes fall mit fahr vnd noth wil üben.
Was jhn verletzen kan / vnd was jhn kan betrüben /
Was jhm verweislich ist / vnd was jhm schaden gibt /
Das wendt er willig ab / vnd weil er lieben übt /
Als ist jhm auch bey Gott die lebenskrone blieben.
Für den man gut vnd blut / für den leib vnd leben /
Auch ohne wegerung’ ist schuldig hin zugeben /
Jm fall’ es Gottes ehr’ erfordert / vnd die noth /
Wie solt’ ein Christe dem doch nicht gefahr vnd schaden /
Verhüten / wo er kan / da doch auf sich zu laden
Sich Christus nicht entzog / den vnverdienten tod.

<< zurück | weiter >>