Trawrgedichte

1. Trawr=Gedichte

Übersicht | Anordnung | Formen | Stilmittel und lyrischer Ausdruck | Motive und Metaphorik

1.1 Übersicht

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1.2 Anordnung

Wie man sieht, fällt die Abteilung Trawr=gedichte sehr viel kürzer aus als die Treugedichte. Doch auch im Vergleich mit den Lehrsonnetten wirken die Trawr=gedichte recht knapp gefasst. Plavius war als Dichter von Epitaphen wohl nicht ganz so hoch geschätzt wie als Epithalamiendichter1. Die Trawr=gedichte und die Lehr=Sonnete zusammenzulegen böte sich in mancher Hinsicht zwar thematisch an, verbietet sich jedoch aus der Gliederung des Bandes. Von der Drucklegung her spricht sogar mehr dafür, die Trawr=gedichte mit den Treugedichten zusammenzulegen, denn die Lehrgedichte sind nicht nur durch ein Titelblatt abgetrennt, sondern verfügen im Gegensatz zu den Trawr=gedichten wie einstmals die Treugedichte über ein eigenes Widmungsblatt2.

Eingeleitet werden die Trawr=gedichte durch eine "Vermahnung' an alle menschen". Das Gedicht besteht aus 76 Versen, die im heroischen Alexandriner gehalten sind. Thematisiert wird die Vergänglichkeit der Menschen, wobei Plavius Motive aus der Bestattungsliturgie und Lutherzitate verwendet.

Jhr erd' / auß erd' / auff erd' / jhr irrdischen gefässe
Voll erde wust vnd koth / jhr sterblich=wurm=gefrässe /
Der mörderischen zeit / jhr todes=sichelgraß./
Jhr faulen madensäck' / jhr lebendiges aaß
Vnd stäte würmenkost / wie seyd jhr so verstarret
Jn irrdischer begier? wie seyd jhr so vernarret
Auff eitel ehr vnd geld / den tewren erden=koth /
Die jhr doch heute lebt / vnd seyt auff morgen todt.

Auch Zitate aus der Bibel (z. B. der Bergpredigt, hier Mt. 6,28-29) fehlen nicht.

Jhr menschen es gilt euch! habt jhr denn nie gesehen /
Der zarten blumen schaar in voller blüthe stehen /
Jn solcher zierd' vnd schmuck / in kleidern die da weit
Der pracht des Salomons inn seiner herrlichkeit

Vielleicht absichtlich nimmt Plavius in der Vermahnung' auch schon den Inhalt einiger seiner folgenden Epitaphe vorweg. So wird das Blumen-Motiv gleich in mehreren Epitaphen wiederkehren. Auch das Epitaph Auff herrn D. Johannis Glasers tödlichen Abgang: (Nr. 8) wird in der Vermahnung motivisch vorweggenommen:

Denckt an des fleisches weg / vnd an die blassen leichen /
Seht an den schwachen leib vnd gläserne gestalt /

Das Ende der Vermahnung zeigt Parallelen zu den Lehrsonnetten:

Wer nu recht sterben wil der sterb' / eh er noch stirbet /
Den eytelkeiten ab / er darb' / eh er verdirbet /
Deß / was die welt erfrewt / so wird die sterblichkeit
Jhm nicht zum sterben seyn dort in der ewigkeit.

Der dramatischen Einleitung durch die Ermahnung‘ folgt ein lateinisches Epitaph und danach ein Trauersonett auf Johannis Zierenberg. Das Sonett zeichnet sich durch eine Fülle von mythologischen Figuren aus. Plavius führt Helicon, Pallas, Agerona, Tryphe, Hebe, Venus, Clotho auf. Zugleich enthält es christliches Gedankengut: Seine Talente erhielt der Verstorbene von Gott, Gott wird auch seinen Geist erhalten. Die antiken Gestalten erfüllen das Sonett (V. 2-8), den Rahmen aber bildet der christliche Glaube (V. 1 und V 9-14).

Das nächste Epitaph, Auff den seligen abscheid Ernesti Kerls [..] (Nr. 4), ebenfalls ein Sonett, präsentiert sich durch und durch christlich. Thematisiert wird die Vergänglichkeit. Sie wird in verschiedenen Bildern vorgeführt. In gewisser Weise ist das Sonett ein positives Resümee der Vermahnung'.

Das Epitaph Auff hn. Wilhem Henrichs von Brügge seeligen tod: (Nr. 5) stellt eine Synthese zwischen den Extremen der beiden vorhergehenden Trawr=gedichte dar. Nun werden christliche Tugenden gelobt und direkt beim Namen genannt, die Mythologie tritt lediglich in Person von Atropos in Erscheinung, der den Tod verkörpert, und damit negativ konnotiert ist.

Die nun folgenden vier Trawr=gedichte führen je eine Vergänglichkeitsmetapher genauer aus. Das Epitaph Auf [...] herrn Jacob Schachmanns auf Vrunaw vnd Bolschaw erbgesessen / tödlichen abgang:, eine Pindarische Ode mit zwei Abteilungen, vergleicht das Leben mit einer gefährlichen Schiffsreise. Die beiden Epitaphe Auff den seeligen abschied des ehren=vesten herrn Reinhold Kleefeldes: und Vber den seeligen tod Der viel ehr= vnd tugendsamen frawen Susannen [...] (Nr.7 und Nr. 9) gebrauchen das Motiv des Windes, welcher Blumen (bzw. Klee) nieder mäht. Dazwischen findet sich die Trauerode Auff herrn D. Johannis Glasers tödlichen abgang: (Nr. 8). Sie enthält ein Wortspiel, indem Plavius mit Glasers Namen und der Zerbrechlichkeit des Lebens spielt.

Auffallend dramatisch gestaltet Plavius die Leich=klage Auff die Christliche begräbnis des ehrbarn vnd gottesfürchtigen jünglings Lucas Habisreitingers von Hfna / welcher auff der reisen jämmerlich ermordet worden: (Nr. 11). Hier beklagt er den Mordfall mit bittersten Versen, macht den unbekannten Mördern bittere Vorwürfe und scheut sich auch nicht davor, ausfallend zu werden:

O tyranney / hilft denn nu weder bitten /
Noch vnschuld mehr? o hartes tygerthier!
O wildes hertz'! o teufelische sitten!
Jst den so gar nichts menschliches an dir?
Bricht deinen sinn denn keine zarte jugend
Vnd gilt bey dir nicht / was bey menschen gilt?

Schließlich fordert er die Mörder auf, sich zu stellen:

Vnd hast du nicht ein hertz' auß harten steinen /
So wirst du noch dich selber geben=an
Du bluthund du.

Dann jedoch – recht abrupt – fasst sich Plavius wieder und wendet das Gedicht wieder auf konventionelle Bahnen. Die Antwort, wie der Mensch solche Katastrophen auf seiner Lebensreise zumindest mildern kann, gibt Plavius im nächsten Trawr=gedicht., Auf den seeligen vnnd vnverhoften todesfall Hn. Henrich Dälmers / welcher in Franckreich sanft vnnd seelig entschlaffen: (Nr. 12). Auch hier handelt es sich um einen Todesfall, der sich auf einer Reise ereignete, wenngleich weniger dramatisch als der vorige. Plavius scheut hier ebensowenig zurück, den Vorfall melodramatisch herauszustreichen. Diesmal klagt der Sprecher der Mutter des Verstorbenen all ihr Leid und macht ihr deutlich, wie allein sie nun ist:

Jhr hofftt / der vater würd' in diesem sohne leben /
Vnd würd' euch alle das viel duppelt wiedergeben /
Welchs euch sein vater nam / als jhm würd' ein gewinn
Das / was man sterben heisst. Nun ist er auch dahin.
Er ist hinweggerafft / der vor in seinem leben
Der mutter frewd' / vnd lust zu leben konte geben /
Die nu durch seinen tod also verletzet ist /
Daß sie des lebens fast vnd jhrer selbst vergisst.

Die Melancholie der Mutter, obwohl er sie mit seiner ausführlichen Klage weiter geschürt haben dürfte, hält er für unnütz, stattdessen muss das Schicksal geduldig ertragen werden:

Wenn aber weinen nur dem tode könte wehren /
So wäre täglich thun mit samt den heissen zehren
Fürwar ein köstlich ding / vnd mehr als edelstein.
Nun aber / wenn nichts hilfft / so hilfft gedültig seyn.

Die dramatische Zuspitzung kann man insofern durchaus als rhetorisch-didaktischen Trick auffassen, um die Mutter des Verstorbenen zu besänftigen, indem Plavius ihre Klagen antizipatorisch aufgreift, sie würdigt, aber schließlich mit Hinweis auf die christliche Sterbelehre widerlegt. Zuletzt weist Plavius auf das folgende Leben hin, welches das eigentlich wahre, "süße" Leben sei.

Wie man sicher zu diesem wahren Leben gelangt, führt Plavius im Epitaph Auf das seelige absterben Hn. Abraham Schmiedes: (Nr. 13) aus. Wieder bedient sich Plavius der Reisethematik, diesmal aber ist sie Allegorie. Im ersten Abschnitt der Ode zeichnet Plavius ein Bild: Das Leben ist eine Reise, und zwar eine gefährliche Reise. Für diese Reise muss der Wanderer gewappnet sein. Insbesondere benötigt er Hilfsmittel. Im zweiten Abschnitt löst Plavius das Bild auf, zeigt, was die Hilfsmittel sind: Es sind die Kardinaltugenden. Erst im dritten Abschnitt wird der Bezug zum Verstorbenen dargestellt, indem Plavius zeigt, dass dieser über alle Voraussetzungen verfügte, und daher seine Reise erfolgreich beendet hat.

Wieder stark an die Lehrsonnette erinnert das 14. Trawr=gedicht, das Sonett Auf Herrn Reinhold von Möllen christliche leichbegäng=nis.

Wer seelig sterben wil / der muß auch seelig leben
Wer seelig leben wil / der dencke stets an'n tod
Wer stets an'n tod gedenckt / dem wird die todes=noth
Wol nicht zum tode seyn. Wol sterben kömmt vom streben / [...]

Dies ist nun wirklich nicht weit entfernt vom ersten Lehr=sonnet:

Wer wil ein Christe seyn / der muß auch christlich leben;
Wer christlich leben wil / der folge Christo nach;
Wer Christo folgen wil / der lieb auch Christi schmach:
Der ehren vngeacht / welch' jhm die welt kan geben.

Dagegen passt das darauf folgende Epitaph Nr. 15, Auf Herrn Barthol Schmiedes Christliches absterben, eher zu den Treugedichten. Von allen Trawr=gedichten erscheint Plavius hier wieder am spielerischsten zu sein. Neben dem fast obligatorischen Vergänglichkeitstopos tauchen hier wieder mythologische Elemente auf.

Panegyrisch muten dagegen die beide Trawr=gedichte auf Bürgermeister Arnold von Holten an. Insbesondere das Sonnet (Nr. 16.2) scheint zudem in Anknüpfung auf das frühere Preisgedicht in den Treugedichten verfasst zu sein. (Treugedicht Nr. 44.6, An den edlen / gestrengen hoch vnnd wolweisen herrn Arnhold von Holten Bürgermeistern vnd Oberschuelherrn zu Dantzig:). Dort heisst es am Schluss des Lobsonetts auf Arnold Holtens "Doktorandum":

Wolt jhr (gemeiner schatz / gemeiner stat geschenket.
Den Helicon gespeist / den Castalis geträncket /
Jhr wissenschafft=beweiß) seyn meines fleißes preiß.

Dagegen setzt das Trauersonett (Nr. 16.2) mit den Worten ein:

Der diese schöne Stat / gleich als ein schiff / gelencket
Durch manchen harten sturm; der beyde früh vnd spat
Mit ungespartem fleiss' und wolbedachtem rath'
Jhr beygestanden ist: den Castalis geträncket /
Vnd Helicon gespeisst: den Gott der Stat geschencket
Als einen tewren schatz: der offtmals in der that /

Die nächsten vier Trawr=gedichte sind Frauen gewidmet. Sie enthalten wieder vorrangig biblisch-theologische Motive. Das Epithalamium Nr. 17, Auf den seeligen abscheid Der viel ehr= vnnd tugendreichen frawen Helenen Schnitterin [...] ist ein weiteres Sonett. Wehleidig wirkt das Trawr=gedicht Auf Jungfraw Elisabeth Mehlmanns vnverhoften / doch seeligen ab=scheid:3, während in den beiden Trauergedichten für Anne Brigitte Zierenberg, Wol dem / der seeliglich in seiner jugend stirbet! [...] (Nr. 19.1) und In eundem obitum. (Nr. 19.2) der Tod recht kühl als unabänderliche Tatsache festgestellt wird.

Die Trawr=gedichte schließen mit dem lateinischen Epigramm auf Thomas Uphagen4. Ein Schlusslied fehlt.

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1.3 Formen

Verglichen mit den Treugedichten sind die Trawr=gedichte nur sehr knapp ausgefallen. 88 Treugedichten stehen gerade mal 23 Trawr=gedichte gegenüber. Die Formen sind wesentlich gehaltener. Es überwiegen Alexandriner-Verse oder Oden. Die Sonette machen bereits einen verhältnismäßig großen Teil aus.

Am augenfälligsten sind die Oden. In den Trawr=gedichten finden sich deren vier: Trawr=gedichte Nr. 6, Nr. 8, Nr. 13 und Nr. 15. Plavius hat diese Form auch schon in den Treugedichten verwendet (Treugedichte, Nr. 38). Er kannte sie sowohl aus Opitzens Buch von der Deutschen Poeterey als auch durch Niederländer wie z. B. Jacob Cats.

Was die Formen angeht, hält sich Plavius weitgehend an Opitzens Vorgaben5. Die Strophe ist frei, die Antistrophe entspricht in Metrum und Reimschema der Strophe, die Epode unterscheidet sich von beiden. In den weiteren Durchgängen werden Reimschema und Metren aus dem ersten Durchgang (Strophe - Antistrophe - Epode) übernommen. Manchmal scheint es gar, dass Plavius auf Opitz anspielt. So beginnt Opitzens erstes Beispiel6:

Du güldne Leyer / meine ziehr
Vnd frewde / die apollo mir
Gegeben hat von hand zue handt /
Zwar erstlich das mein vaterlandt
Den völckern gleiche möge werden
Die jhre sprachen dieser zeit
durch schöne verse weit vnd breit
Berhümbt gemacht auff aller erden:
(Italien / ich meine dich /
Vnd Franckreich / dem auch Thebe sich /
Wie hoch sie fleuget / kaum mag gleichen /
Dem Flaccus willig ist zue weichen.)
Vnd dann / das derer heller schein
Die gantz nach rhum' vnd ehren streben /
Bey denen welche nach vns leben /
Auch möge klar vnd prächtig sein:

Während das Epithalamium Auf Herrn Barthol Schmiedes Christliches absterben (Nr. 15) mit seiner Stroph. 1. wie folgt einsetzt:

O göldne leyre / süsses spiel /
Welchs mir Apollo dieses leben
Zwar zu versüssen hat gegeben.
Dieweil es / leider allzuviel
Mit bitterkeiten / ohne ziel /
Pflegt auf sein letztes ziel zuschreiten.
O göldnes spiel / wo deiner säiten
Ergötzlichkeit ein mattes hertz'
Erquicken kan / wo todes=schmertz
Vnd dieses lebens bitterkeiten
Jn deines klanges süssigkeiten
Erreichen jhren zweck vnd ziel /
So bist du wol ein süsses spiel.

Opitz beschwört in seinem Epithalamium die goldene Lyra Apollos, es den Sprachen anderer Völker gleich zu tun, und zwar für sein Vaterland. Er hofft, dass der helle Schein der Dichter und Poeten, die es denen anderer Völker gleichtun, auch "klar vnd prächtig" sein möge, "Bey denen, welche nach vns leben /". Dagegen sieht Plavius "jhren zweck vnd ziel" ganz allein darin auf das Hier und Jetzt an: auf das Versüßen eines bitteren Lebens. Dass man auch aus Trauer singen soll, ist Inhalt der zugehörigen Antistrophe. Von Opitzens zweitem Beispiel hat Plavius vielleicht auch das Reimschema von Strophe und Antistrophe in Trawr=gedichte Nr. 6 übernommen7.

Plavius hält sich in seinen Oden an ein dialektisches Schema: Die Strophe beleuchtet ein Argument, die Antistrophe untermauert das Gesagte durch die Verneinung des Gegenteils, oder aber sie stellt es in ein neues Licht. Die Epode formt aus beidem eine Synthese oder Schlussfolgerung. Mehrere Durchgänge dieses Schemas verwendet Plavius dazu, Sachverhalte auf neue Ebenen zu übertragen. Dieses Vorgehen findet sich schon bei Opitz und ist überhaupt in der Gattung angelegt, aber Plavius macht es sich geflissentlich zu nutze. Im ersten Durchgang baut er ein Bild auf, im zweiten erklärt er es, und im dritten Durchgang, sofern ein solcher vorhanden ist, bezieht er im Falle der Trawr=gedichte den Verstorbenen mit ein.

Ein Paradebeispiel ist Trawrgedichte Nr. 13, Auf das seelige absterben Hn. Abraham Schmiedes:, Hier fällt die Strukturierung um so mehr auf, als Strophen und Antistrophen sehr kurz geraten sind. Im ersten Durchgang baut Plavius das Bild auf. In der Stropha 1 wird ein Sachverhalt vorgestellt. Die Zeiten sind bitter, aber man will oder muss durch das Vaterland schreiten:

Stropha 1:
Wer zu diesen bittern zeiten /
Auff das süsse vaterland
(Welches vns / wie denn bekant /
Nach sich zeucht) gedenckt zu schreiten.

Antistropha 1 fügt hinzu, dass er sich dafür "Wol zu bereiten muss", um "der räuber macht" zu entgehen:

Antistropha. 1.
Der muss jhm wol zu bereiten
Was er darff / bey tag' vnd nacht
Daß er ja der räuber macht
Mög' entgehn auff allen seiten.

Epodos 1 fügt diese Bestandteile zusammen und listet als Folgerung eine Reihe von Gegenständen auf, die für die waghalsige Unternehmung notwendig sind (Laterne, Pass, Stab):

Epodos. 1.
Er muß durch Berg' vnnd thal / vnnd mehrentheils bey nacht /
Er wacht wenn man sonst schläfft / er schläfft wenn man sonst wacht /
Sein liecht vnd fewerzeug ist fertig / die laterne /
Jst immer bey der hand. Es leuchten jhm die sterne /
Vnd auch der trübe mon: vnd wird er denn besetzt /
So weist er seinen paß / damit jhn niemand letzt /
Er pocht auff diesen paß / er schawt auff sein geleite /
Er past auff seinen stab / vnd auffs gewehr' im streite.

Im zweiten Durchgang erläutert Plavius dieses Bild, wobei Stropha 2 und Antistropha 2 jeweils ihre Vorgänger erschließen:

Stropha. 2.
Also wer durch schweres reisen /
Dieser welt / an seinem ziel
Wenn er soll / in himmel wil /
Lasse sich des vnterweisen /


Antistropha. 2.
Daß er sich nicht lasse speisen
Mit geschwetz' vnd list bey nacht /
Vnd geruht' in feindes macht,
Daß er hab' ein paß zu weisen.

Auch Epodos 2 folgt diesem Vorbild und löst die Ratschläge und Utensilien aus Epodos 1 als christliche Lebenshilfe bzw. Tugenden auf.

Epodos 2:
Jst den die welt ein thal / vnd diese zeiten nacht /
Vnd wollen wir hindurch zu Gott / der vns bewacht /
So ist' sein geist das liecht / sein wort ist die laterne /
Die kirch' ist denn der mon / die lehrer seind die sterne /
Vnd hält' vns Belial auch weg vnnd steg verrent /
Hat vns doch vnser Gott verehret vnd ernent /
Den glauben als ein paß / die liebe zum geleite /
Die hoffnung als ein stab / gedult zur wehr' im streite.

Im dritten und letzten Durchgang bezieht Plavius das Gesagte auf den Verstorbenen (wobei dieser nicht namentlich genannt wird):

Stropha. 3.
Dieses hat zu seinem frommen /
Dem wir hie / zur leibes ruh /
Geben das geleite nu /
Jederzeit in acht genommen.

Antistropha. 3.
Drumb ist jhm auch nun benommen /
Was in diesem jammerthal
Vns beschweret allzumahl /
Er ist nun zur ruhe kommen.

Epodos. 3.
Durch dieses thränenthal / durch diese schwartze nacht
Jst er hindurch zu Gott. Gott hat jhn wohl bewacht /
Der glaube war sein paß / die liebe sein geleite /
Die hoffnung' vnd gedult sein stab vnd wehr' im streite.
Nun / er hat wol gekämpfft / er hat die lebens kron'
Jn vester zuversicht / wol jhm / gebracht davon.
Nun / er ist an das liecht. Denn Christus seine sonne
Lässt sich jhn tröstlich sehn / zu voller frewd' vnd wonne.

Erst auf den Zweiten Blick wird ersichtlich, dass Plavius auch im dritten Durchgang das dialektische Schema von Strophe – Antistrophe – Epode aufrecht erhält. Stropha 3 thematisiert wieder eine "Reise", nun ist es aber das Sterbegeleit durch die Gemeinde. Antistropha 3 spricht wie ihre Vorgänger von Schwierigkeiten und Beschwerden, für den Toten sind diese aber nun aufgelöst: Er ist "zur ruhe kommen". Epodos 3 nimmt die Metaphorik der vorigen Epoden wieder auf. Entscheidend ist nun das Ergebnishafte, was nicht zuletzt durch den Tempuswechsel zum Präteritum ausgedrückt wird.

Die meisten Pindarischen Oden haben bei Plavius weniger als drei Durchgänge. In diesem Fall wird der Bezug zur Person in der zweiten Epode hergestellt (wie in Nr. 6, Nr. 8). Lediglich Trawr=gedichte Nr. 15 ist so allgemein gehalten, dass es auf keine bestimmte Person Bezug nimmt8.

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1.4 Stilmittel und lyrischer Ausdruck

Verglichen mit den Epithalamien sind die Trawr=gedichte wesentlich verhaltener. Plavius verzichtet auf Ironie, Albernheiten und Neckereien. Etwas anderes wäre der Gattung Epitaph auch nicht angemessen.

Doch auch in den Trawr=gedichten verkneift er sich nicht, Wortspiele mit den Namen der Verstorbenen zu formen, wie im Falle von Nr. 7 Auff den seeligen abschied des ehren=vesten herrn Reinhold Kleefeldes: und Nr. 8. Auff herrn D. Johannis Glasers tödlichen abgang: Im ersten Falle nimmt sich Plavius sogar das Recht heraus, Herrn Kleinfelds Namen für sein Wortspiel auf "Kleefeld" zurecht zu biegen, was dem Leser der Trawr=gedichte aber nur auffallen dürfte, wenn er den Verstorbenen kannte, oder die betreffenden Kirchenbücher zurate zieht9. Auch in den Trawr=gedichten verzichtet Plavius nicht auf sein liebstes Kind, die Anapher. Auffällige Reihungen dieser Art finden sich in den Epithalamien Nr. 3, Nr. 5, Nr. 6, Nr. 7, und Nr. 8.

Gerade die in den Trawr=gedichten aufgeführten Sonette unterscheiden sich in Form und Stil kaum von denen der Lehrsonnette, nicht einmal dort, wo das enthaltene Wortspiel mit dem Namen des Verstorbenen das eigentliche Zentrum ist, wie im besagten Sonett Auff herrn D. Johannis Glasers tödlichen abgang:

Wenn warer gottesdienst / vnd fleissiges gehöre
Des wortes mit der that / ohn' heuchelischen donst;
Wenn grosser herren hold vnd königliche gonst;
Wenn freund= vnd redlich=keit; wenn ehrbarkeit vnd ehre;
Wenn christliche gedult nach Christi wort vnd lehre;
Wenn viel geschicklichkeit / wenn wissenschaft vnd konst;
Wenn trew' vnd mildigkeit / wenn tugend / die doch sonst
Vnsterblich wird geschätzt / für sterben sicher wäre /
Herr Kleefeld lebte noch. Der doch wie durch den nord
Der grüne sommer=klee verwelckt vnd eilet fort /
Durch grimme todes macht von vns hat müssen scheiden.
Weil aber der mit nicht' / ob er gleich stirbt / verdirbt /
Der hie dem herren lebt / vnd seinen sünden stirbt.
So sey das unser trost: Herr Kleefeld ist in frewden.

Spätestens in der ebenfalls bereits erwähnten Pindarischen Ode, Trawr=gedichte Nr. 15, schwelgt Plavius wieder im tänzelnden Stil der Treugedichte:

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1.5 Motive und Metaphorik

Zentralmotiv der Trawr=gedichte ist der Tod – was durch die Gattung Epitaph nahegelegt ist. Bei Plavius wird der Tod allerdings nicht immer negativ dargestellt. Der Tod ist weniger Ende als vielmehr Ziel der menschlichen Existenz. Das Leben wird auf dieses Ziel hin verstanden und gedeutet. Dies zeigt sich beispielsweise in der von Plavius gerne verwendeten Reisemetaphorik. Sei es, dass das Leben mit einer Schifffahrt verglichen wird (Nr. 6) oder mit einer Landreise (Nr. 13), oder dass die Reise durch die Todesart ins Zentrum gerückt wird (Nr. 11, Nr. 12). In diesem Falle verweist Plavius dann darauf, dass der Reisende sein wahres Ziel erreicht habe.

Der Tod ist jedoch nicht nur Ziel des menschlichen Lebens, er ist das wahre Leben. Immer wieder deutete Plavius darauf hin, dass nicht die Toten, sondern die Lebenden zu bedauern sind. Ein melancholisches Resignieren, oder ein letztgültiges Entsetzen über die Vergänglichkeit alles Irdischen lehnt Plavius ab. Der Tod wird nicht selten in Form mythologischer Gestalten dargestellt. Schicksalshaft als Clotho (Nr. 3) oder Atropos (Nr. 5), oft auch in Form von Naturgewalten als Gegenspieler des Zephyrs (Nr. 9). Noch häufiger wird der Tod direkt als solcher erwähnt.

Mit dem Tod verknüpft ist die Vergänglichkeit. Um sie zu schildern, kann Plavius auf den Motivschatz der geistlichen Dichtung zurückgreifen, insbesondere die Bibel, beispielsweise Psalmen und Bergpredigt (z. B. in der Vermahnung' an alle menschen, wenn er auf die Vergänglichkeit der Blumen auf dem Felde anspricht). Auch Zitate aus Lutherschriften, Kirchenliedern, also dem zeitgenössischen theologischen Diskurs, lassen sich finden. Lehrsonnette >>


1In der Epitaphdichtung wurde Plavius deutlich von seinem Mitbürger Johann Georg Moeresius übertroffen. Moresius dichtete über 140 Trauer- und Leichengedichte, dagegen nur 30 Epithalamien. Seine Dichtung ist von einem tiefen Lebensernstr durchwirkt. Er zeigt häufig eine gewisse "Grämlichkeit", selbst wenn der Anlasse eigentlich freudig ist. Vgl. Raschke, S. 62 und Rankl, S. 156f.

2Ursprünglich könnten allerdings auch die Trawr=gedichte über ein Widmungsblatt verfügt haben. Das lässt sich allerdings nicht mehr nachvollziehen, da dem Berliner Exemplar neben dem ganzen Bogen A auch Bogen a1 der Trawr=gedichte fehlt. Vgl. Plavius-Sonette in Riga, S. 107.

3Handelt es sich vielleicht um die selbe Jungfrau Elisabeth, die Plavius schon in einem Bindebrieflein anspricht (Treugedichte, Nr. 43.3)?

4Auch Moeresius hat eine Leichenklage auf Thomas Uphagen verfasst, allerdings datiert auf das Jahr 1643. Vgl. Raschke, S. 65.

5Vgl. Buch von der Deutschen Poeterey, S. 59f.

6Ebd., S. 60.

7In beiden Fällen lautet das Reimschema aBBaCCddEffE

8Was weiterhin darauf hinweist, dass Plavius das Epithalamium nicht in Anbetracht seiner kasuellen Notwendigkeit, sondern zunächst zu Übungszwecken erstellt hat – unter Zuhilfenahme von Opitzens Poeterey.

9Letzteres war bei Sartor der Fall, als er Plavius Kasualwerke zu datieren suchte. Vgl. oben, Kapitel 6.2.